Süddeutsche Zeitung Review

Great review by Süddeutsche Zeitung. Thank you!

 

Die Eröffnung des neuen Clubs auf der Museumsinsel artete in Chaos aus. Nun haben die Macher dazugelernt. Und kochen im gleichnamigen Restaurant gekonnt vegetarisch auf.

Stil hat man oder man hat ihn nicht. Sandra Forster und ihr Team zum Beispiel haben ihn. Im Blitz Restaurant tanzt er in Form von fröhlich bunt gekleideten Día-de-Muertos-Skeletten über die Wand, passend zur südamerikanisch inspirierten, vegan-vegetarischen Küche. Die Gäste, die diese Küche probieren, sitzen auf eklektisch arrangierten roten und taubenblauen Stühlen, und über der Fensterfront zur Isar hin hängen bepflanzte Blumentöpfe.

Nachdem die Club-Eröffnung letztes Wochenende in ein kleines München-Nachtleben-Drama ausartete, weil die Neugierigen von der Museumsinsel bis an die Trambahngleise drängten und nicht mehr hinein kamen, geht es diesen Freitag gediegener los. Dinner und Drinks. Das Restaurant ist eröffnet. Und für später ist vorgesorgt: Draußen sind jetzt Absperrgitter in Schlangenlinien aufgebaut, wie vor einer Gepäckkontrolle am Flughafen. Der Blitz weiß jetzt, wie er einschlagen muss, damit nicht gleich Chaos entsteht und die Polizei anrücken muss.

Der Blick auf die Karte lässt erstmal schlucken. Wo zahlt man schon 23 Euro für eine vegetarische Fajita, und wieso fangen die “Entradas” bei 8,50 Euro an? In ist, wer drin ist, das gilt in der Hipsteria genauso wie in der Schickeria. Erst einmal einen der kreativen Cocktails, der sehr schnell milder stimmt: Das Blitz-Team hat eigens eine Zuckerrohrpresse importiert, um mit dem Saft jetzt wohlschmeckende Daiquiris (10,50 Euro) zu mixen. Eine scharfe Wucht ist auch der Mexican Mule (9,50 Euro) mit Jalapeño, Wodka, Ginger Beer und Limette.

Die Speisen kommen an den Tisch und, milde gestimmt, sind sie ihre Preise wert. Die Sojabarbecuespieße auf Salat mit Grapefruitschnitzen und Ananas-Dressing (16 Euro) sind eine vollwertige Mahlzeit, keine Entrada. Die Fajitas kommen als üppige Portion zum Selberrollen an den Tisch, dazu geriebener Manchegokäse, Guacamole, eine herrlich schokoladige Bohnenmousse. Als Füllung Quinoa mit geschmorten Tomaten und Pilzen im Pfännchen (23 Euro). Vegetarisch-vegane Küche will gekonnt sein, hier kann man sie.

Im Restaurant ist es glücklicherweise erlaubt, Fotos zu machen. Ein Verbot hier würde die Münchner Foodblogger-Gemeinde womöglich kollektiv in Ohnmacht fallen lassen. Ein Verbot wie nur eine Tür weiter. “Wir leben in Zeiten, in denen die meisten von uns stets davon besessen sind, Momente und Erfahrungen festzuhalten, wobei wir alle dadurch genau die besonderen darunter verpassen”, so hatten die Clubbetreiber auf ihrer Facebookseite ihre No-Photo-Policy erläutert. Und der Hype, der Mythos soll wohl auch genährt werden, denn nicht einmal vom leeren Raum sollen Bilder nach außen dringen.

Zwei miteinander verbundene Räume sind es, um genau zu sein. Der erste ist ein betonwandnackter Raum mit einer großen, zentralen Bar, bunte Stühle daran. Durch den gelangt man zum zweiten Raum, zum Herzstück: eine zweite, kleinere Bar, zwei flache Treppenstufen herunter zur Tanzfläche. Dieser Raum ist verschachtelter, wie eine Bienenwabe, die Wände neigen sich zur Decke hin. Wabenartig geformte Holzwände, unterbrochen von Metallstreben, alles in schummeriges Licht getaucht; Scheinwerfer brechen durch den im Raum wabernden Nebel, als würden sie jemanden suchen. Bass ersetzt den Herzschlag.

Für elektronische Musik perfektioniert ist die Anlage, eine, die Experten bejubeln und den tanzenden Laien die Musik hören und spüren lässt, ihn in der Musik aufgehen lässt. Alles tanzt den DJ an, hinter dem eine Reihe gedimmter Leuchten darauf wartet, den, der zu lange hinstarrt, zu blenden, als wolle sie ihm zuzwinkern. In ist, wer drin ist, aber es ist kein Münchner “Sehen-und-gesehen-werden”; wer hier tanzt, liebt diese Art von wummernder, sphärischer Musik und will sich dazu spüren.

Auf der Suche nach den Toiletten findet man sich in einem Foyer wieder, links die Treppe hoch die Damen, rechts die Herren, und fragt sich vielleicht, ob man diese Treppe als Kind heruntergelaufen ist, noch leicht benebelt von den über die Decke ziehenden Sternen und der künstlichen Weite des Alls im Planetarium. War das hier? Verwirrend, all diese Türen, aber die vagen Kindheitserinnerungen verleihen dem Gebäude auf der Museumsinsel eine zweite, mythische Ebene. “Love is the Message”, steht in bunten Buchstaben am Eingang. Davor hat sich eine Schlange gesammelt, jeder möchte den Neuzugang der Clublandschaft sehen. Heute läuft alles in geordneten Bahnen. Der Blitz weiß, wie er einschlagen muss, und er hat ins Herz der Nacht getroffen.